Event Business: New Ways of Work

Interview mit Jeroen Brüggemann, Geschäftsführer CoPiDUS und Kristin Wittmütz, Leitung Marketing beim Studieninstitut für Kommunikation

Event Business: New Ways of Work

Reindenken, Querdenken, Neudenken: Die Studie „Fachkräfte in der Event- und Messe-Branche“ von 2018 hat gezeigt, dass der Eventbranche qualifizierte Fach- und Führungskräfte mit „Cross-Thinking“ Skills fehlen. Wie können diese Skills entwickelt werden? Kann Weiterbildung helfen? Was müssen Agenturen tun, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein und welche Rolle spielen Themen wie „New Work“ oder „Agilität“? Zu diesem komplexen Themenfeld haben wir Jeroen Brüggemann, Geschäftsführer der Live-Kommunikationsagentur CoPiDUS und Kristin Wittmütz, Leitung Marketing am Studieninstitut für Kommunikation, befragt. Die beiden sprachen zum Thema „New Ways of Work“ gemeinsam auf dem ‚Holland-Pavillon inspired by NEXTLIVE‘ auf der BOE 2019.

Aus der Perspektive als Aus- und Weiterbilder, was passiert gerade in der Eventbranche, dass wir über Fachkräftemangel und „New Ways of Work“ sprechen?

Kristin Wittmütz: Die Digitalisierung ist eigentlich schon fast kein „neues“ Thema mehr. Aber in vielen Unternehmen jetzt erst spürbar angekommen. Eine sehr spannende Zeit mit gleichermaßen vielen Möglichkeiten wie Herausforderungen für Unternehmen und ihre Mitarbeiter. Auf die Fachkräfte kommen neue Anforderungen zu. Schon seit langem gibt es in unserer Branche den Ruf nach qualifizierten Fachkräften. Wir bemerken im Fachkräftebedarf verschiedene Tendenzen: der Branchennachwuchs wird händeringend gesucht. Junge Fachkräfte mit abgeschlossener Ausbildung oder absolviertem Studium und erster Berufserfahrung wandern ab – bspw. in Start-ups, wo die „New Ways of Work“ alltäglich sind. Welche Skills der Arbeitsmarkt in der Eventbranche fordert, zeigt die aktuelle Fachkräftestudie 2019 zum „Berufsbild Event- und Messemanager“ der TU Chemnitz auf. Das Berufsbild des Event- und Messemanagers ist immer noch nicht klar definiert. Eventmanager und Messemanager ist eher eine Tätigkeitsbeschreibung als ein Berufsbild. Hieran muss gearbeitet werden. Ebenso daran, die Fachkräftelücke zu schließen und neue Trends im Arbeitsmarkt zu verfolgen.

Wie geht ihr als Agentur mit Fachkräftemangel und „New Ways of Work“ um?

Jeroen Brüggemann: Wir gehen bei der Suche nach neuen CoPiloten besonders auf die persönlichen Vorstellungen und Lebensumstände des zukünftigen Mitarbeiters ein. "New Ways of Work" verstehen wir als Austausch zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, beim dem die Rahmenbedingungen für beide Seiten immer wieder abgestimmt werden. Wir rekrutieren auch in Zeiten vermeintlichen Fachkräftemangels erfolgreich, weil wir individuelle Rahmenbedingungen schaffen. Dabei spielen klassische Faktoren wie flexible Arbeitszeiten und Home-Office eine Rolle. Weit wichtiger ist jedoch die Förderung der persönlichen und beruflichen Entwicklung durch beispielsweise Konflikt- und Mentaltrainings oder Coachings sowie die Schaffung von Ausgleichs- und Ruhezeiten, die zum Beispiel mit einem Sport oder Musikangebot verbunden werden.

Die zweite Fachkräftestudie zählt ja auf, was Fachkräfte können sollen. Die sozial-kommunikative Kompetenz und die Organisationskompetenz werden dort als die bedeutendsten für den Beruf des Event- und Messemanagers eingeschätzt. Dazu kommen noch die fachliche und methodische Kompetenz sowie die technische Kompetenz. Außerdem zählt die Studie noch die 15 wichtigsten Schlüsselfähigkeiten auf. Kann Weiterbildung überhaupt diesen ganzen Kanon bedienen? Wie sollen Teilnehmer hier strategisch vorgehen?

Kristin Wittmütz: Weiterbildung kann hier sehr viel leisten und Generalisten und Spezialisten gezielt qualifizieren. Wir arbeiten seit mehr als 20 Jahren sehr eng mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammen und vermitteln auf die Praxis ausgerichtetes Fachwissen. Die dualen Ausbildungen oder berufsbegleitende Weiterbildungsformate sind nicht erst seit der Digitalisierung im Trend. Wissen wurde auch schon immer benötigt. Geändert haben sich Arbeitsabläufe, Lernformen, Technologien in der Wissensvermittlung, die Menge an Wissenskanälen und auch die Zeitfenster. Wissen muss immer kurzfristiger verfügbar sein. Und die Wege, dieses Wissen zu erlangen, sollten so flexibel wie möglich sein. Mehr denn je gilt der Satz „Lernen, wann, wie und wo ich will“. Der Teilnehmer sollte sein Ziel für eine Weiterbildung abstecken: Etwa kurzfristig zu einem neuen Thema Wissen erlernen, um die aktuelle tägliche Aufgabe zu lösen? Fundiertes Wissen für einen neuen Arbeitsbereich erlangen? Oder fachübergreifende Skills für den nächsten Karriereschritt erhalten? Auf Basis dessen kann dann gewählt werden, welche Fortbildung die ideale ist: intensives Seminar zu einem Spezialthema, Inhouse-Training, Basiskurs, Lehrgang oder Studium. Und man sollte auch ehrlich in sich reinhorchen, wie diszipliniert man selbst für Selbststudium und Online-Kurse ist, welches Faible man für digitales Lernen oder ein gedrucktes Lehrbuch hat, wie wichtig einem der Austausch mit Teilnehmern und Experten in einem Präsenzseminar ist. Unser Beratungsteam hilft da weiter. 

Wen sucht ihr als Agentur? Generalisten oder Spezialisten? Was müssen die Leute können, damit sie für Euch interessant werden?

Jeroen Brüggemann: Unser Kerngeschäfts ist das Projektmanagement und das erfordert im ersten Schritt Generalisten. Ganz natürlich erlernt man als Projektmanager jedoch auch spezielle Fähigkeiten, die sich häufig aus persönlichen Interessen ergeben. Diese können beispielsweise im Bereich Technik, Social Media, Dekoration oder Food liegen. Wir suchen und fördern daher Generalisten mit speziellen Fähigkeiten.

Cross Thinking: Reindenken, Querdenken, Neudenken – Was bedeutet das für Mitarbeiter? Kann Weiterbildung das vermitteln?

Kristin Wittmütz: Wie schon erwähnt: Durch die Digitalisierung wird Lernen auf eine ganz andere Stufe als bisher gestellt. Neues Wissen wird immer schneller benötigt, fast schon permanent. Dabei prallen gegensätzliche Schlagwörter wie Tempo und Entschleunigung aufeinander. Kompetenzen erweitern bedeutet nicht nur, fit in einem Fachbereich zu sein, sondern eine neue Vielseitigkeit ist gefragt. Wie Jeroen sagt: Generalisten mit Spezialwissen. Unternehmen und ihre Mitarbeiter müssen gemeinsam auf die „digitale Reise“ gehen, die einen oder anderen Kompetenzen von Mitarbeiter und Teams neu einschätzen oder sogar neu entdecken. Es gilt, neue Lern- und Arbeitstempos zu beachten und neue Projektwege zu gehen. Weiterbildung vermittelt in erster Linie notwendiges Fachwissen. Das Studieninstitut bietet in einer Art „Lernbaukastensystem“ verschiedene Module und Lernmöglichkeiten, so dass der Teilnehmer seinen Bedürfnissen entsprechend neues Wissen flexibel erlangen kann. Zudem bietet unser Inhouse-Team individuelle Beratungen und Trainings an, um Prozesse und Abläufe zu optimieren. 

Was ist der größte Fehler, den Agenturen bei der Mitarbeiterentwicklung machen können?

Jeroen Brüggemann: Agenturen machen den Unterschied durch ihre Mitarbeiter, und das höchste Gut jeder Agentur ist ihre Dienstleistung, und die wird auch in Zukunft zum überwiegenden Teil menschlich sein. Wer das – und somit den Austausch und die Förderung der Mitarbeiter - außer Acht lässt, fährt über kurz oder lang den Laden an die Wand. 

Welche Anforderungen werden an Bewerber gestellt und sind diese richtig?

Jeroen Brüggemann: Viele Stellenanzeigen schreien nach Cyborgs und Überfliegern, die alles können. Häufig aus Angst, nicht den richtigen Kandidaten zu finden. Die Folge: Man findet keinen Kandidaten. Wir sollten den Anspruch einer gesunden Portion Selbstreflektion nicht nur an den Kandidaten, sondern vor allem an uns selbst stellen. Was sind die „Must-Haves“, die ein Kandidat wirklich mitbringen muss? Die meisten „Nice-to-Haves“ lassen sich im Nachgang gemeinsam entwickeln.

Welche Rolle spielt der Kunde dabei, dass das Anforderungsprofil von Mitarbeitern sich so stark wandelt?

Jeroen Brüggemann: Eine Große, aber keine größere als vor 10 oder 1000 Jahren. Wachsende Anforderungen dem Kunden in die Schuhe zu schieben, ist schlichtweg zu kurz gedacht. Unsere Branche arbeitet an Themen wie der stärkeren Vernetzung von Online und Offline, Automatisierung von Prozessen oder agilen Projektmanagementmodellen – alles Bereiche, die sich aus einer viel größeren gesellschaftlichen Entwicklung ergeben, zu der wir alle beitragen. Unsere Kunden sind eigentlich nur der Übermittler der Nachricht. Schwierig wird es bei Kunden, die permanent den Anspruch an Agenturen formulieren, allwissend zu sein und heute schon im morgen zu leben. Das ist schlichtweg nicht möglich. Es gibt jedoch eine gute Nachricht: Auch diese Kunden werden früher oder später von der Realität überrollt werden: Keine Agentur der Welt kann das leisten. Unsere Aufgabe ist es, Erwartungsmanagement zu betreiben und diese Kunden ziehen zu lassen, anstelle ihnen das Blaue vom Himmel zu versprechen. Tun wir das nicht, geben wir die utopische Forderung nach Allwissenheit an unsere Mitarbeiter weiter und dann bekommen wir ein Problem. 

Welche Einflüsse wirken heute auf die Event Branche, die New Work notwendig machen? 

Jeroen Brüggemann: Der wichtigste Einflussfaktor ist eine neue Denke, die durch die nächste Generation von Eventspezialisten in die Branche getragen wird. Events sind Termingeschäfte und erfordern daher extrem viel Flexibilität. Dafür haben auch junge neue Arbeitnehmer Verständnis. Das schlägt jedoch schnell in Verständnislosigkeit um, wenn Flexibilität eine Einbahnstraße ist - und zwar in Richtung Arbeitgeber und Kunde. Zudem ist es heute längst nicht mehr cool genug, zwar ständig unterwegs zu sein, aber nichts von der Welt zu sehen, weil man abends im Hotel noch Mails bearbeiten muss. Diese neue Denke muss uns als Arbeitgeber in unsere DNA übergehen. 

Kristin Wittmütz: Nachwievor die Digitalisierung und die dafür erforderliche Denkweise. Künstliche Intelligenz und Automation treffen auf eine teilweise überalterte Gesellschaft, die die Veränderungen durch die Digitalisierung nicht oder zu wenig zugelassen haben. Weiter spielen auch äußere Einflüsse wie ein extremer Generationenwechsel, Schnelllebigkeit und der Wunsch nach höchster Flexibilität eine Rolle. Die Arbeitswelt von morgen wird offener sein, aber unberechenbarer. Menschen sind permanent gefordert, sich immer wieder neu zu definieren. Zudem wirkt sich die Rangelei um gute Fachkräfte aus, und damit verbunden die Bereitschaft junger Menschen, in die Veranstaltungsbranche einzusteigen. 

 

Who is Who?

  • Jeroen Brüggemann, Geschäftsführer, CoPiDUS: Jeroen Brüggemann ist Geschäftsführer der Live-Kommunikationsagentur CoPiDUS aus Düsseldorf. Als Unit Manager baute er bis Ende 2018 den Eventbereich der Agentur auf. Bevor er Ende 2016 als CoPilot bei der CoPiDUS an Bord ging, war er über sieben Jahre als freier Projektmanager und Kreativer sowohl für Agenturen als auch Endkunden tätig. Er studierte Unternehmenskommunikation sowie Eventmarketing und ist gelernte Fachkraft für Veranstaltungstechnik. www.copidus.de
  • Kristin Wittmütz, Leitung Marketing, Studieninstitut für Kommunikation: Die Vermarktung von Dienstleistungen und erklärungsbedürftigen Produkten begeistert Kristin Wittmütz seit über 15 Jahren. Aktuell verantwortet sie das Marketing beim Studieninstitut für Kommunikation in Düsseldorf. Zuvor war sie für verschiedene Eventdienstleister und Kommunikationsagenturen tätig. Neben Marketing und Kommunikation hat die Diplom-Kauffrau für Marketing und Management Networking im Blut. Sie ist langjähriges Mitglied im Marketing-Club und engagiert sich als Beirätin für Kommunikation im MARKENCAMP e.V. www.studieninstitut.de

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