Das IST hat mit Arne Kleversaat, Vice President Sales bei der Messe Frankfurt, dem erfolgreichsten deutschen Messeunternehmen, gesprochen.

Herr Kleversaat über Marktentwicklungen, Trends und Qualifizierungsbedarf in der nationalen und internationalen Messelandschaft. Lesen Sie im Interview selbst...

Das IST hat mit Arne Kleversaat, Vice President Sales bei der Messe Frankfurt, dem erfolgreichsten deutschen Messeunternehmen, gesprochen.

Herr Kleversaat über Marktentwicklungen, Trends und Qualifizierungsbedarf in der nationalen und internationalen Messelandschaft.

Herr Kleversaat, Sie sind seit zwei Jahren als Vice President Sales bei der Messe Frankfurt, dem erfolgreichsten deutschen Messeunternehmen tätig. Die Messe Frankfurt hat seit Jahren ihre Messetätigkeit international ausgebaut und war mit der früh begonnenen Internationalisierungsstrategie im Vergleich zu anderen Messegesellschaften überdurchschnittlich erfolgreich.

Die Messe Frankfurt hat 2006 einen Zentralbereich Sales gebildet, obwohl doch der Messemarkt an sich recht stabil und erfolgreich zu sein scheint, wenn man die Kennzahlen liest, die der AUMA veröffentlicht.

Demnach haben in 2007 fast 150 Messen in Deutschland stattgefunden, der Umsatz, die Ausstellerzahl und die Ausstellungsfläche sind um 3 % gewachsen.
Fast alle 24 Messegesellschaften berichten über positive Geschäftsverläufe.

IST:
Warum investiert die Messe Frankfurt bei diesen Marktbedingungen in eine aufwändige Vertriebsfunktion?

Arne Kleversaat:
Weltweit hat die Anzahl der Messen und damit auch der Ausstellungsfläche zugenommen. In Deutschland haben wir uns eine exzellente Marktposition aufgebaut: 70 Prozent der 20 größten Messen finden in Deutschland statt. Hinzu kommt, dass 4 der 5 größten Messegelände in Deutschland liegen. Durch die zunehmende Internationalisierung, von der wir natürlich profitieren, ist aber auch gleichzeitig die Luft dünner geworden. Länder wie beispielsweise Dubai und China stehen in den Startlöchern, sie haben Platz und auch das nötige Geld um eigene große Messeplätze aufzubauen. Wir haben den Bereich Sales gegründet,
um dem härter werdenden Wettbewerb zu begegnen. Die Messe Frankfurt ist in Deutschland Marktführer und möchte es auch in Zukunft bleiben.

IST:
Wie sehen Sie diese Situation vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Märkte in Osteuropa, Südosteuropa oder sogar Indien und China?

Arne Kleversaat:
Gerade in Asien haben wir es mit massiven Wachstumsmärkten zu tun. An erster Stelle stehen hier Indien und China, wo in den kommenden Jahren viel passieren wird. Durch die Globalisierung ergeben sich Marktverschiebungen wie beispielsweise in der Textilbranche. Das hat zur Folge, dass in diesen Märkten auch Messen stattfinden werden, was den deutschen bzw. den europäischen Messemarkt verändern wird. Bei der Messe Frankfurt beobachten wir die Veränderungen sehr genau. Wir sehen in dieser Entwicklung durchaus auch Chancen und arbeiten bereits im Konzern an Messeprodukten, mit denen wir die
Zukunft mitgestalten können.

IST:
Wie beurteilen Sie grundsätzlich das Professionalitätsniveau in der Messebranche, wenn man Aussteller, Besucher und die Veranstalter betrachtet?

Arne Kleversaat:
In Deutschland haben wir es vergleichsweise mit einem sehr hohen Niveau zu tun. Gerade bei etablierten Messen oder so genannten Leitmessen stellen wir eine hohe Identifikation der Aussteller fest, was zu einer hohen Professionalität führt. Dennoch ist dieser Status ausbaufähig. Der Fokus liegt eindeutig auf der Präsentation, also auf dem Standbau an sich. Zu kurz kommt dagegen der Marketing-und Netzwerk-Aspekt. Durch stärkere Einbindung der Besucher im Vorfeld der Messen wäre der Nutzen erheblich steigerbar. Leider existieren gerade bei europäischen Besuchern eine gewisse Zurückhaltung sich frühzeitig zu
registrieren und dadurch die Möglichkeit einer verbesserten Vorabinformation zu geben. Hier wollen wir durch ergänzende Serviceleistungen Unterstützung in der Vorbereitung, Durchführung sowie Nachbereitung der Messen geben und so den Nutzen für alle Beteiligten erhöhen.

IST:
Wo besteht aus Ihrer Sicht der größte Qualifizierungsbedarf bei den Ausstellern?

Arne Kleversaat:
Wir stellen immer wieder fest, dass Defizite in der Vorbereitung und der klaren Zielsetzung für den Messe-Auftritt bestehen. Leider gehen viele Aussteller das Thema Besucherwerbung noch nicht professionell an, um ihre Zielgruppen für den Messebesuch zu aktivieren. Sie verlassen sich bei der Kundengewinnung und -bindung überwiegend auf die Maßnahmen der Messeveranstalter statt mit ihnen aktiv zu kooperieren. Wir alle müssen uns darüber bewusst werden, dass erhebliche Marktveränderungen anstehen, denen wir durch ein verändertes Miteinander begegnen müssen.

IST:
Nationale und internationale Messebeteiligungen sind mit hohen Kosten verbunden. Wie kann man den Erfolg eines Messeauftritts messen?

Arne Kleversaat:
Bei Ordermessen ist das klar: Da lässt sich eine Aussage nach dem Blick ins Auftragsbuch treffen. Bei den übrigen Messen zum Beispiel bei Imagemessen ist dies etwas anders: Hier müssen Ziele gesetzt werden!
Durch eine gezielte Zieldefinition, eine exakte Messeverlaufsdokumentation und eine effiziente Nachbereitung im Anschluss lässt sich eine aussagefähige Erfolgskontrolle durchführen. Nachträglich können geeignete Maßnahmen ergriffen und die Rentabilität der Messebeteiligung gesteigert werden. Hier können aber beispielsweise Kundenbefragungen im Vorfeld sowie in Anschluss zu einer Resonanzanalyse verhelfen.

IST:
Welche Maßnahmen werden in Zukunft den volkswirtschaftlichen Effekt von Messen sichern?

Arne Kleversaat:
Der Messebereich ist in der Tat ein wachstumsfähiges Geschäft, das enorme volkswirtschaftliche Effekte nach sich zieht. Zu lange lagen die Messen in öffentlicher, d.h. staatlicher Hand. Der Konkurrenzdruck war in dieser Zeit relativ niedrig. Heute ist nicht zuletzt durch die Globalisierung unternehmerisches Handeln mehr denn je gefragt -schließlich geht es um die internationale Positionierung des deutschen Messemarktes. Wir haben einen deutlichen Nachholbedarf, um für die kommenden Veränderungen gewappnet zu sein. Und das gilt übrigens für Aussteller und Management.

IST:
Sind die deutschen Aussteller und insbesondere die Messe durchführenden Mitarbeiter Ihres Erachtens bereits auf diese Veränderungen vorbereitet?

Arne Kleversaat:
In meinen Augen nicht. Aussteller werden sich langfristig daran gewöhnen müssen, dass die Globalisierung nicht vor ihnen Halt machen wird. Sie werden sich die Frage stellen müssen, welche Messeteilnahmen notwendig für sie sind, um wirklich präsent zu sein. Die eine große Leitmesse im Jahr, so wie es früher einmal war, wird kaum ausreichen. Messen sind ein extrem effizienter Bestandteil der B2B-Kommunikation. Bei keinem anderen Medium wird Erfolg oder Misserfolg gegenüber dem Wettbewerb so schnell und deutlich sichtbar. Außerdem wird das Internet zusätzlich einen großen Beitrag zur internationalen
Vernetzung und zur Vergleichbarkeit leisten.

IST:
Wird Ihres Erachtens ausreichend über die sich anbahnenden Veränderungen informiert bzw. Kenntnis vermittelt, um entsprechend reagieren zu können?

Arne Kleversaat:
Nein, nicht genügend. Wir sind in Deutschland Exportweltmeister und die Industrie verfügt über ein hervorragendes Potenzial, um sich auch an ausgezeichneten Messen zu beteiligen. Gemeinsam sollten wir, d.h. die Industrie und wir als Messegesellschaften, entsprechende Strukturen und professionelles, zeitgemäßes Know-how vorantreiben. Auch hier spielt die Globalisierung wieder eine große Rolle. Wir müssen weg von der regionalen oder nationalen Ausrichtung und hin zur internationalen. Wir wünschen uns für die Zukunft einige wenige, aber leistungsfähige Plattformen statt einer Flut von vielen, ineffizienten kleinen. Dies ist jedoch ein mittelfristiger Prozess von 5-10 Jahren, dem sich die Organisationen und die Mitarbeiter in den beteiligten Unternehmen bereits jetzt stellen müssen.

IST:
Wie schätzen Sie die Veränderungen ein, die auf die Messewirtschaft durch Internationalisierung, Globalisierung, Marktverschiebungen und insbesondere durch das Internet zukommen und was glauben Sie, sind
die notwendigen Maßnahmen?

Arne Kleversaat:
Wir rechnen mit einem enormen Einfluss, den das Internet in der Zukunft haben wird. Dieser wird genauso wenig protektionistisch zu stoppen sein wie die Globalisierung. Es wird die Messewirtschaft nicht verdrängen, denn sonst ginge uns der wichtige face-to-face-Charkter verloren. Aber in Ergänzung zur Messe ist dieses Medium hervorragend geeignet, die Kommunikation von Marktpartnern zu gestalten. Durch die Vernetzung sind weitläufige Möglichkeiten entstanden, miteinander im Austausch und damit im Geschäft zu bleiben. Auch und gerade auf internationaler Ebene, denn der Informationsbedarf der Kunden ist weltweit gewachsen und wird weiter wachsen.

IST:
Sind nicht oftmals die Messe durchführenden Mitarbeiter eher Praktiker und weniger Personen mit marktwirtschaftlichem Hintergrund und insofern gar nicht in der Lage notwendige Veränderungen zu erkennen und darauf zu reagieren?

Arne Kleversaat:
In der Tat sind es häufig Praktiker, aber wir sind bei der Messe Frankfurt auf einem guten Weg. Die internationalen Anforderungen, die wir seit 10 Jahren verspüren, haben da einiges bewirkt und auch an Bewusstsein geschaffen. Natürlich liegen aber auch noch viele Herausforderungen vor uns. Entscheidend ist, dass wir Notwendiges früh erkennen, schnell reagieren und das Gedankengut des Messe-Marketings auch über nationale Grenzen hinaus vorantreiben. Unabhängig davon fehlt es aber in der globalen Messebranche an Standards und an synchronisierten Know-how-Angeboten um zu verhindern, dass jeder der
Messen macht, das Rad neu erfindet.

IST:
Wenn ich Ihre Ausführungen zusammenfassen darf. Besteht vor dem Hintergrund Ihrer Aussagen nicht die dringliche Notwendigkeit, dass sich die Messebeteiligten mit den Veränderungsszenarien im Sinne
einem „Internationalen Messemarketings“ intensiv auseinander setzen und sich fit machen für die Zukunft unter geänderten Rahmenbedingungen?

Arne Kleversaat:
Ja. Denn für die Messegesellschaften ist es 5 vor 12. Wir sind alle aufgerufen, uns Gedanken zu machen und Visionen für einen abgestimmten Messeplan zu entwickeln. Hier sollten Aussteller und Messegesellschaften Hand in Hand arbeiten, wenn wir weiter international erfolgreich agieren wollen. Deutschland nimmt in der internationalen Messelandschaft einen Spitzenplatz ein, den wir
nicht nur zu verteidigen haben, sondern auch ausbauen wollen, trotz der geschilderten Marktverlagerungen. In dieser Situation sollte die deutsche Messebranche Impulsgeber für ein zukunftsorientiertes Messemarketing mit internationaler Ausrichtung sein.

IST: Herzlichen Dank für das Gespräch.