Unternehmen sind wie Spaghetti?!

Agiles Projektmanagement - was genau dahinter steckt, erklärt Andreas Lehmann im Interview. Er ist im Januar Speaker auf dem Career Hub auf der Best of Events.

Unternehmen sind wie Spaghetti?!

Agiles Projektmanagement als neue Arbeitsweise in der Eventbranche ist in aller Munde. Aber was steckt eigentlich dahinter? Wir haben als Speaker auf unserem CAREER HUB einen der Komplexitäter eingeladen, dazu Stellung zu nehmen (16. Januar 2019, 14 Uhr). Andreas Lehmann kommt ursprünglich aus der IT-Branche, gemeinsam mit zwei Kollegen hat er die Komplexitäter gegründet. Sie wollen in die komplexe Arbeitswelt begleiten, unterstützen und coachen. Was das Ganze soll und welche Auswirkungen es für die Eventbranche haben kann, erklärt uns Andreas Lehmann im Interview.

Agiles Projektmanagement als neue Arbeitsweise ist in aller Munde. Diese neue Art der Arbeitsweise wurde aus der digitalen Industrie übernommen. Warum eigentlich? Was machte sie so erfolgreich?

Andreas Lehmann: Die digitale Industrie hat als erste Branche den Systemwechsel von kompliziert nach komplex zu spüren bekommen. Der Grund ist die Digitalisierung selbst. Ganz kurz gesagt, führt sie zur Erhöhung von Vernetzungsdichte, Autonomie und Feedbackschleifen. In einem solchen System kann man schlichtweg keine verlässlichen Prognosen mehr über die Zukunft machen. Egal, wie sehr man sich anstrengt. Sich daraufhin anzupassen, war ein evolutionärer Vorteil für Organisationen. Die, die es nicht getan haben, existieren meist nicht mehr. Agilität ist dabei nur eine mögliche Antwort auf eine komplexe Welt. Vermutlich die beste, die wir momentan kennen.

In einigen Stichpunkten: Was zeichnet diese neue Arbeitsweise aus?

Andreas Lehmann: Ironischerweise ein hohe Vernetzungsdichte, Autonomie und Feedbackschleifen. Es geht darum, schrittweise zu verinnerlichen, dass es die EINE beste Antwort nicht mehr geben wird. Wir sehen Organisationen oft noch als kompliziertes Uhrwerk, das man gedanklich durchdringt, versteht und optimiert. Tatsächlich sind sie eher wie ein Teller Spaghetti. Egal wie lange sie darüber nachdenken, sie werden nicht genau vorhersagen können, was passiert, wenn sie an einer Stelle ziehen. Die Abhängigkeiten der Komponenten untereinander sind einfach zu groß. Wenn man das immer mehr realisiert, erkennt man, dass der Versuch Fehlschläge zu vermeiden, in komplexen Systemen zur paradoxen Situation führt, dass die möglichen Folgen des Scheiterns dadurch immer dramatischer werden.

Worum geht es dann konkret?

Andreas Lehmann: Es geht ab sofort darum, eine Kultur zu schaffen, in der Fehlschläge als Chance des Lernens verstanden werden. Dies ermöglicht es, die notwendigen Anpassungen an eine sich stetig ändernde Welt in kleine, realisierbar Schritte aufzuteilen. Die dann für sich auch schiefgehen dürfen. Nur dadurch lernen wir. Und zwar auf Basis von Informationen und Erfahrungen.

Welchen Nutzen kann diese Arbeitsweise für die Mitarbeiter in der Event- und Messebranche haben?

Andreas Lehmann: Die offene Antwort: Das wissen die Mitarbeiter selbst am besten. Der Nutzen wird dort am größten sein, wo in der Branche der Veränderungsdruck auf Grund der Digitalisierung bereits stark ausgeprägt ist. Als Nichtbrachenkenner kann ich mir aber dennoch einige Gedanken machen: Remote-Konferenzen, Live Feedbacksysteme über mobile Endgeräte, dezentrale Events, die adhoc skalieren. Das alles gibt es ja bereits oder wir können es uns zumindest vorstellen. Dort wo wir als Komplexitäter Veränderungsdruck sehen, gab es meist eine Verschiebung der Macht weg vom Anbieter hin zum Kunden. Es macht sicherlich Sinn, einmal darüber nachzudenken, an welchen Stellen dies in der Messe- und Eventbranche schon heute greifbar ist.  Die Chance besteht darin, die Veränderung aktiv mit gestalten zu können und nicht von ihr getrieben zu werden. Das zu erleben, kann dann allen gemeinsam sehr viel Spaß machen.

Muss ein Unternehmen immer komplett auf Agilität umstellen, oder kann man Agilität auch im „Kleinen“ umsetzen?

Andreas Lehmann: Eine Organisation komplett umzustellen, klingt nach einer einfachen Antwort in einem komplexen Umfeld. Es ist jedoch eher wieder das in komplizierten Systemen erfolgreich erlernte Verhalten: Wir überlegen uns vorher, wie alles am Ende aussehen soll. In diesem Fall unserer Organisation. Und dann machen wir es. Und scheitern grandios. Ich bin überzeugt, dass es statt dessen darum geht, den nächsten sinnvollen kleinen Schritt zu gehen, dabei mutig zu sein und etwas daraus zu lernen. Und das immer und immer wieder von neuem. Eventuell kann man dann an einem Zeitpunkt in der Zukunft sagen: „Das Unternehmen ist jetzt komplett umgestellt.“ Das ist aber nie das Ziel, sondern eine mögliche Konsequenz.

Eine solche Transformation im Unternehmen kostet viel Zeit und Geld. Gibt es Risiken?

Andreas Lehmann: Ja. Besonders das Risiko, dass sich tatsächlich etwas verändert. Die Frage ist eher, können wir es riskieren, uns nicht zu verändern? Hier fällt mir ein Zitat von W. Edwards Deming ein: „It is not necessary to change. Survival is not mandatory.“

Sie haben mit zwei Kollegen die Komplexitäter gegründet. Was sollen Unternehmen und ihre Mitarbeiter bei Ihnen lernen?

Andreas Lehmann: Gewohntes und antrainiertes Verhalten zu ändern ist harte Arbeit. Wir kennen es alle aus dem Privatleben. Stichwort: „Was nehmen wir uns fürs Neue Jahr vor“. Den Komplexitätern geht es darum, Organisationen wirklich zu helfen. Das schaffen wir nur, in dem wir zusammen mit der Organisation herausfinden, wie sie sich selbst am besten helfen kann.

Warum sollten interessierte Arbeitgeber und ihre Mitarbeiter zum CAREER HUB 2019 kommen, um Ihren Vortrag zu hören?

Andreas Lehmann: Wir sind alle von der Digitalisierung betroffen. Im Privatleben, in der Geschäftswelt und in der Gesellschaft. Sich damit auseinanderzusetzen, was das für uns alle bedeutet, scheint mir ein guter Startpunkt zu sein. Und genau das, versuchen wir mit unserem Vortrag zu schaffen: ein kleiner experimenteller Blick in eine neue Welt, voll von Alternativen.

Foto: Andreas Lehmann